Erkin Cavus verbrachte viele Jahre seines Lebens in Istanbul. Hier hat
er Karriere gemacht und an der Seite berühmter Künstler (etwa Erkan Ogur oder
Bekir Küçükay) gespielt. Seit 2017 wohnt Cavus in Deutschland, nun
setzt er zusammen mit seinem langjährigen musikalischen Partner Reentko
Dirks der Bosporus-Metropole ein klingendes Denkmal. Inspiriert von den
Bildern des berühmten Fotografen Ara Güler (1928-2018), die eine teils
längst vergangene Welt einfangen, versammeln Cavus und Dirks auf ihrem
neuen Album Istanbul 1900 feingliedrig und nuanciert gespielte
Momentaufnahmen von suggestiver Kraft. Bewusst konzentriert sich das Duo
auf eher ruhige Töne, seine atmosphärische Hommage versteht sich auch
als Statement zum gegenwärtig fast omnipräsenten Getöse.
Auffallend ist, dass die beiden hochversierten und sensiblen Gitarristen
typische Stilmittel des Orients zwar anklingen lassen, aber nicht ins
Zentrum stellen. Einige Titel von Istanbul 1900 basieren auf ungeraden
Takten, doch machen sich die komplexen Metren im sanften Fluss der Musik
kaum bemerkbar. Gleiches gilt für Vierteltöne. Erkin Cavus ist bekannt
für seine Virtuosität auf einem bundlosen Gitarrenhals, der ihm ein
mikrotonales Spiel erlaubt, ähnlich wie auf der Laute Oud. Natürlich
sind solche Vierteltöne auf dem Album zu hören, sie alleine wirken aber
noch nicht stilbildend. Der Gestaltungswillen des Duos reicht weiter und
reflektiert die unterschiedlichen persönlichen Hintergründe der beiden
Musiker.